Rucola

Die Realitätsverzerrung mancher Männer ist beachtlich: Reden den ganzen Tag nur von sich selbst, prahlen mit ihrer supertollen Wohnung, mit dem supertollen Verlag, in dem sie Chefredakteur sind, mit dem supertollen Interview, das sie gemacht haben ("das ist absoult high-end, was ich hier geleistet hab"), mit dem megatollen Kongress, den sie organisiert haben ("mit den absoluten Top-Speakern natürlich - was sonst. so einen Kongress hat es in der Form noch nicht gegeben."), verbringen den ganzen Tag damit, sich selbst darzustellen, stellen dir kaum eine Frage, schauen dich beim Reden auch selten direkt an, sondern jeder Frau, die vorbeiläuft hinterher - und am Ende des Abends greifen sie dann plötzlich und unerwartet nach deiner Hand und sagen: "Ich habe das Gefühl, es läuft unglaublich gut zwischen uns und ich würde gerne die Nacht mit dir verbringen." Du wimmelst überfordert und ein klein wenig angewidert ab, weist noch einmal auf deinen Freund hin, von dem du ihm den Tag über immer mal wieder erzählt hast und darauf, dass der Kerl vom Mitbewerb ist, murmelst noch etwas von "Interessenskonlikt" und machst dich kopfschüttelnd davon.
Am nächsten Morgen am Weg zum Frühstück im Hotel fragst du dich, wie dir der Kerl gegenübertreten wird. Wird er sich schämen? Sich entschuldigen? Einfach übergehen, was passiert ist? Dich ignorieren?
Weit gefehlt! Er erwartet dich bereits am Tisch und erzählt dir grinsend, dass er beschlossen hat, seinen Flug umzubuchen, damit er das Wochenende mit dir verbringen kann - weil es ja so gut läuft mit euch und er das Gefühl hat, dass es zwischen euch gefunkt hätte.