...
Irgendwie wirkte schon die Stellenanzeige nicht sonderlich seriös.
"Erweitern unser Team um 10 Mitarbeiter/innen im Bereich Datenerfassung inkl. Kundenbetreuung. Bieten Spitzenverdienst, Aufstiegschancen und Ausbildung. € 1.700,- bis € 2.000,- möglich. Vollzeit. Bewerbung unter Bewerbung@firmax.xx"
Keine Ansprechperson, keine Telefonnummer. Auf der Firmenhomepage findet sich zwar viel - zugegebenermaßen gut geschriebenes - Blabla, allerdings weder Informationen über den Tätigkeitsbereich der Firma, noch über die dahinter stehenden Personen.
Beworben habe ich mich trotzdem – es siegte ganz einfach die Neugierde.
Am nächsten Tag bereits wurde ich kontaktiert und zu einem Gespräch eingeladen. Der Anruf kam von einer Handynummer, was mich etwas irritierte. Umso mehr, als sich die Suche nach dem Besitzer der Nummer im Telefonbuch als erfolglos erwies. Einzig die genannte Firmenadresse erschien seriös: großes bekanntes Gebäude in Wien.
Am vereinbarten Tag des Termins war ich knapp davor, diesen abzusagen, entschloss mich dann aber doch dazu, der Sache auf den Grund zu gehen. (Ich erinnere: meine Neugierde!)
Die Dame, die mich am Empfang abholte, strahlte grobes Desinteresse meiner Person gegenüber aus. Smalltalk war überhaupt nicht möglich, so ging ich den ganzen Weg vom Empfang zum Büro schweigend neben ihr her, während sie sich mit ihrem Smartphone beschäftigte.
Bei der Firma angekommen wurde ich aufgefordert, einen Personalbogen auszufüllen. Der Vorgang selbst ist bei vielen Firmen Routine und überraschte mich nicht, dieser Personalbogen allerdings war anders, neben den üblichen Fragen zu Ausbildung, Sprach- und Computerkenntnissen und Führerschein enthielt er Fragen wie: Können Sie sich vorstellen, ein gratis Service, das zu langfristigen Vorteilen führt (Kosteneinsparungen), in Ihrem Freundeskreis weiter zu empfehlen? oder Sind Sie bereit, bei gegebener sozialer Absicherung leistungsorientiert bezahlt zu werden? Verwirrend war auch der Teil des Bogens, der nach den einen auszeichnenden Eigenschaften fragte. Fünf Antwortmöglichkeiten waren bereits vorgeben und man musste ankreuzen, ob man zielstrebig, ehrgeizig, ausdauernd, begeisterungsfähig und / oder belastbar war. Während ich mir die größte Mühe gab, den Bogen sorgfältig auszufüllen, ohne dabei laut loszulachen, wurde eine Bewerberin bereits wieder zum Ausgang begleitet, ein Herr in Anzug ließ sich von der Sekretärin (die Dame, die mich zuvor beim Empfang abgeholt hatte) die Liste mit den Namen der Bewerberinnen zeigen. "Sind Sie Frau Babyspinat?" fragte er mich. "Nein, Madame Rucola." "Oh, haha, es bestand eine 50:50 Chance, den richtigen Namen zu erraten", rechtfertigte er sich, obwohl absolut klar war, dass die Liste mehr als zwei Namen umfasste. Dass ich zu dem Gespräch mehr als zehn Minuten zu spät gekommen war, schien niemandem aufzufallen.
Nachdem mir der vollständig ausgefüllte Personalbogen wieder abgenommen worden war, wurde ich aufgefordert, in ein bestimmtes Büro zu gehen. Dort erwartete mich eine Dame, ihres Zeichens Personalreferentin. Ihre erste Frage war eine durchaus übliche bei Bewerbungsgesprächen "Madame Rucola, erzählen Sie etwas von sich. Was haben Sie gemacht, machen Sie zur Zeit und wo wollen Sie hin in Ihrem Leben?" Danach allerdings wurde alles immer mehr zu einer Verkaufsveranstaltung für den Job, den ich annehmen sollte. Dabei stellte sich die Dame als unglaublich geschickt und gut geschult heraus. Immer wieder kam sie auf die eingangs von mir genannten Ziele zurück und sagte Sachen, wie "Ich habe das Gefühl, Sie möchten etwas machen, das Sie von der Masse abhebt." oder "Sie wirken auf mich, als würden Sie gerne erfolgreich sein." Gleichzeitig forderte sie immer wieder Bestätigung von meiner Seite, wie gut das Angebot doch klingen würde. Kurz fasste sie auch die Tätigkeitsbereiche der Firma zusammen, allerdings formulierte sie diese ebenso schwammig, wie der Text auf der Homepage. Viel mehr wusste ich danach also auch nicht, außer, dass das Unternehmen im Bereich Finanzen und Energie angesiedelt war und als Ziel hatte, Leuten dabei zu helfen, Geld zu sparen. Genau da würde ich ins Spiel kommen: Ich sollte Leute besuchen und mit ihnen gemeinsam Fragebogen ausfüllen, aus der dann die Einsparungen berechnet werden würden. Meine Frage, wie genau ich zu den Adressen der Leute käme, wurde mit „Keine Sorge, wir machen keine Kaltakquise“ abgetan, beantwortet wurde sie allerdings nicht, genauso wenig wie die nach der Bezahlung. Diese wäre je nach Abschluss, wie viel genau, das könne sie mir pauschal nicht sagen, auf jeden Fall aber wäre sie "horrend" (Die Dame erzählte, sie hätte noch nie in ihrem Leben so viel Geld verdient wie bei dieser Firma und wäre noch nie so glücklich gewesen, denn schließlich helfe man ja Menschen und das wäre wunderbar. Das berichtete sie mir, übers ganze Gesicht strahlend. Ich kam mir vor, als hätte ich einen Teleshopping-Kanal laufen).
Dann, als Sie der Meinung war, mich in die richtige Richtung gelenkt zu haben, kam der Teil, den ich irgendwie schon erwartet hatte: Genaueres über die Firma, über den Job und das Gehalt würde ich bei einer Firmenpräsentation erfahren, die am nächsten Tag stattfinden würde. Wollte ich teilnehmen, müsste ich eine "Platzkaution" von € 40,- hinterlegen– zur Sicherheit. Der Betrag wäre jetzt gleich zu bezahlen, ansonsten könnte die Firma mir keinen Platz zusichern und davon gäbe es nicht mehr sonderlich viele.
Alle von mir genannten Gründe der Skepsis, entkräftet die Dame relativ schnell mit dem immer selben Argument: „Sehen Sie sich die Sache morgen einfach an! Das wird all ihre Bedenken beseitigen.“ Einzig auf meinen Einwand, dass mir eine provisionsorientierte Bezahlung ohne Fixum zu unsicher wäre, fand sie eine andere Antwort: "Fixes Gehalt hält die Arbeitnehmer klein und unterdrückt sie." Würde die Firma ein Fixum anbieten, stünden plötzlich alle Arbeitslosen vor der Türe und wollten einen Job, erklärte sie mir.
Auf eine Diskussion mit der Dame habe ich mich dann doch nicht eingelassen, sondern schnell das Weite gesucht. Doch selbst das war nicht so einfach, denn sie wollte mich ja dazu bekommen, die Präsentation zu besuchen. "Sie werden sehen, die Zweifel, was ihnen entgangen sein könnte, werden von Tag zu Tag wachsen. Wenn es daran liegt, dass Sie das Geld jetzt nicht dabei haben, ist das gar kein Problem, im Erdgeschoss ist ein Bankomat, ich kann Sie gerne dorthin begleiten."
Nun ja, Zweifel daran, ob ich das richtige getan habe, habe ich bis jetzt nicht, allerdings nagt immer noch die Neugierde an mir. Dabei stelle ich mir nicht die Frage, ob mir da ein guter Job entgangen, sondern was bei der Präsentation passiert wäre. Ich vermute, dass ich mich dort bei einer Veranstaltung wiedergefunden hätte, bei der mir – ähnlich wie bei Kaffeefahrten – Dinge aufgedrängt worden wären: Schulungsunterlagen, DVDs, etc.
Eine Recherche im Internet ergab, dass diese Art von Firmen in Deutschland massiv zur Schädigung von Arbeitnehmern beitragen, da ihre Stellenanzeigen von den Arbeitsämtern an Arbeitssuchende weitergegeben werden. Interessant dazu ist dieser Artikel des Spiegels:
In meinem Freundeskreis sind übrigens schon mindestens 3 Leute im Laufe ihrer Jobsuche an eine derartige Firma gelangt – zum Glück jedoch nie darauf hereingefallen.
Hat jemand von euch schon Erfahrungen mit dieser Art von Firma gemacht? Was kann ich tun, um andere Leute davor zu warnen?
"Erweitern unser Team um 10 Mitarbeiter/innen im Bereich Datenerfassung inkl. Kundenbetreuung. Bieten Spitzenverdienst, Aufstiegschancen und Ausbildung. € 1.700,- bis € 2.000,- möglich. Vollzeit. Bewerbung unter Bewerbung@firmax.xx"
Keine Ansprechperson, keine Telefonnummer. Auf der Firmenhomepage findet sich zwar viel - zugegebenermaßen gut geschriebenes - Blabla, allerdings weder Informationen über den Tätigkeitsbereich der Firma, noch über die dahinter stehenden Personen.
Beworben habe ich mich trotzdem – es siegte ganz einfach die Neugierde.
Am nächsten Tag bereits wurde ich kontaktiert und zu einem Gespräch eingeladen. Der Anruf kam von einer Handynummer, was mich etwas irritierte. Umso mehr, als sich die Suche nach dem Besitzer der Nummer im Telefonbuch als erfolglos erwies. Einzig die genannte Firmenadresse erschien seriös: großes bekanntes Gebäude in Wien.
Am vereinbarten Tag des Termins war ich knapp davor, diesen abzusagen, entschloss mich dann aber doch dazu, der Sache auf den Grund zu gehen. (Ich erinnere: meine Neugierde!)
Die Dame, die mich am Empfang abholte, strahlte grobes Desinteresse meiner Person gegenüber aus. Smalltalk war überhaupt nicht möglich, so ging ich den ganzen Weg vom Empfang zum Büro schweigend neben ihr her, während sie sich mit ihrem Smartphone beschäftigte.
Bei der Firma angekommen wurde ich aufgefordert, einen Personalbogen auszufüllen. Der Vorgang selbst ist bei vielen Firmen Routine und überraschte mich nicht, dieser Personalbogen allerdings war anders, neben den üblichen Fragen zu Ausbildung, Sprach- und Computerkenntnissen und Führerschein enthielt er Fragen wie: Können Sie sich vorstellen, ein gratis Service, das zu langfristigen Vorteilen führt (Kosteneinsparungen), in Ihrem Freundeskreis weiter zu empfehlen? oder Sind Sie bereit, bei gegebener sozialer Absicherung leistungsorientiert bezahlt zu werden? Verwirrend war auch der Teil des Bogens, der nach den einen auszeichnenden Eigenschaften fragte. Fünf Antwortmöglichkeiten waren bereits vorgeben und man musste ankreuzen, ob man zielstrebig, ehrgeizig, ausdauernd, begeisterungsfähig und / oder belastbar war. Während ich mir die größte Mühe gab, den Bogen sorgfältig auszufüllen, ohne dabei laut loszulachen, wurde eine Bewerberin bereits wieder zum Ausgang begleitet, ein Herr in Anzug ließ sich von der Sekretärin (die Dame, die mich zuvor beim Empfang abgeholt hatte) die Liste mit den Namen der Bewerberinnen zeigen. "Sind Sie Frau Babyspinat?" fragte er mich. "Nein, Madame Rucola." "Oh, haha, es bestand eine 50:50 Chance, den richtigen Namen zu erraten", rechtfertigte er sich, obwohl absolut klar war, dass die Liste mehr als zwei Namen umfasste. Dass ich zu dem Gespräch mehr als zehn Minuten zu spät gekommen war, schien niemandem aufzufallen.
Nachdem mir der vollständig ausgefüllte Personalbogen wieder abgenommen worden war, wurde ich aufgefordert, in ein bestimmtes Büro zu gehen. Dort erwartete mich eine Dame, ihres Zeichens Personalreferentin. Ihre erste Frage war eine durchaus übliche bei Bewerbungsgesprächen "Madame Rucola, erzählen Sie etwas von sich. Was haben Sie gemacht, machen Sie zur Zeit und wo wollen Sie hin in Ihrem Leben?" Danach allerdings wurde alles immer mehr zu einer Verkaufsveranstaltung für den Job, den ich annehmen sollte. Dabei stellte sich die Dame als unglaublich geschickt und gut geschult heraus. Immer wieder kam sie auf die eingangs von mir genannten Ziele zurück und sagte Sachen, wie "Ich habe das Gefühl, Sie möchten etwas machen, das Sie von der Masse abhebt." oder "Sie wirken auf mich, als würden Sie gerne erfolgreich sein." Gleichzeitig forderte sie immer wieder Bestätigung von meiner Seite, wie gut das Angebot doch klingen würde. Kurz fasste sie auch die Tätigkeitsbereiche der Firma zusammen, allerdings formulierte sie diese ebenso schwammig, wie der Text auf der Homepage. Viel mehr wusste ich danach also auch nicht, außer, dass das Unternehmen im Bereich Finanzen und Energie angesiedelt war und als Ziel hatte, Leuten dabei zu helfen, Geld zu sparen. Genau da würde ich ins Spiel kommen: Ich sollte Leute besuchen und mit ihnen gemeinsam Fragebogen ausfüllen, aus der dann die Einsparungen berechnet werden würden. Meine Frage, wie genau ich zu den Adressen der Leute käme, wurde mit „Keine Sorge, wir machen keine Kaltakquise“ abgetan, beantwortet wurde sie allerdings nicht, genauso wenig wie die nach der Bezahlung. Diese wäre je nach Abschluss, wie viel genau, das könne sie mir pauschal nicht sagen, auf jeden Fall aber wäre sie "horrend" (Die Dame erzählte, sie hätte noch nie in ihrem Leben so viel Geld verdient wie bei dieser Firma und wäre noch nie so glücklich gewesen, denn schließlich helfe man ja Menschen und das wäre wunderbar. Das berichtete sie mir, übers ganze Gesicht strahlend. Ich kam mir vor, als hätte ich einen Teleshopping-Kanal laufen).
Dann, als Sie der Meinung war, mich in die richtige Richtung gelenkt zu haben, kam der Teil, den ich irgendwie schon erwartet hatte: Genaueres über die Firma, über den Job und das Gehalt würde ich bei einer Firmenpräsentation erfahren, die am nächsten Tag stattfinden würde. Wollte ich teilnehmen, müsste ich eine "Platzkaution" von € 40,- hinterlegen– zur Sicherheit. Der Betrag wäre jetzt gleich zu bezahlen, ansonsten könnte die Firma mir keinen Platz zusichern und davon gäbe es nicht mehr sonderlich viele.
Alle von mir genannten Gründe der Skepsis, entkräftet die Dame relativ schnell mit dem immer selben Argument: „Sehen Sie sich die Sache morgen einfach an! Das wird all ihre Bedenken beseitigen.“ Einzig auf meinen Einwand, dass mir eine provisionsorientierte Bezahlung ohne Fixum zu unsicher wäre, fand sie eine andere Antwort: "Fixes Gehalt hält die Arbeitnehmer klein und unterdrückt sie." Würde die Firma ein Fixum anbieten, stünden plötzlich alle Arbeitslosen vor der Türe und wollten einen Job, erklärte sie mir.
Auf eine Diskussion mit der Dame habe ich mich dann doch nicht eingelassen, sondern schnell das Weite gesucht. Doch selbst das war nicht so einfach, denn sie wollte mich ja dazu bekommen, die Präsentation zu besuchen. "Sie werden sehen, die Zweifel, was ihnen entgangen sein könnte, werden von Tag zu Tag wachsen. Wenn es daran liegt, dass Sie das Geld jetzt nicht dabei haben, ist das gar kein Problem, im Erdgeschoss ist ein Bankomat, ich kann Sie gerne dorthin begleiten."
Nun ja, Zweifel daran, ob ich das richtige getan habe, habe ich bis jetzt nicht, allerdings nagt immer noch die Neugierde an mir. Dabei stelle ich mir nicht die Frage, ob mir da ein guter Job entgangen, sondern was bei der Präsentation passiert wäre. Ich vermute, dass ich mich dort bei einer Veranstaltung wiedergefunden hätte, bei der mir – ähnlich wie bei Kaffeefahrten – Dinge aufgedrängt worden wären: Schulungsunterlagen, DVDs, etc.
Eine Recherche im Internet ergab, dass diese Art von Firmen in Deutschland massiv zur Schädigung von Arbeitnehmern beitragen, da ihre Stellenanzeigen von den Arbeitsämtern an Arbeitssuchende weitergegeben werden. Interessant dazu ist dieser Artikel des Spiegels:
In meinem Freundeskreis sind übrigens schon mindestens 3 Leute im Laufe ihrer Jobsuche an eine derartige Firma gelangt – zum Glück jedoch nie darauf hereingefallen.
Hat jemand von euch schon Erfahrungen mit dieser Art von Firma gemacht? Was kann ich tun, um andere Leute davor zu warnen?
Rucola - 9. Feb, 16:04