Rucola

"so süße locken", höre ich eine stimme neben mir sagen. ich blicke auf und bevor ich dazu komme, die augen ob dieser bemerkung zu verdrehen, redet er, der die ganze zeit schon gegenüber von mir gesessen ist, den ich aber nicht beachtet habe, weil ich in mein buch vertieft war schon weiter. "mein sohn hat auch solche haare" und dann lachend "nur schwarz."
sein feund, der neben mir sitzt fordert ihn auf: "sie glaubt dir nicht, sie glaubt dir nicht - zeig ihr ein foto!"
ich will protestieren, doch mein gegenüber hat schon seine geldbörse geöffnet, aus der er ein foto fischt, welches er mir hinhält. ich nehme es und werfe einen blick darauf. es zeig einen kleinen schwarzen jungen mit dreads. ich grinse. "der ist wirklich süß", sage ich und meine es auch so.
sein freund gibt immer noch keine ruhe: "zeig ihr den anderen, den anderen zeig ihr."
"denn wenn du den kleinen siehst", klärt er mich auf, "dann wirst du dich sofort in ihn (anm. den vater, nicht den sohn) verlieben."
schon wird mir ein zweites foto unter die nase gehalten. darauf: ein beinahe frisch geschlüpftes wunderschönes schwarzes baby mit strahlend blauen augen. mein grinser wird noch breiter.
der freund: "das ist doch wirklich das schönste kind. ein wahnsinn, was der geschafft hat, oder?"
"kunst ist das, das ist wahre kunst!", sagt der stolze papa und erhebt sich "dafür muss man üben". bevor er die u-bahn verlässt, dreht er sich noch einmal zu mir um und fügt augenzwinkernd "nacht für nacht" hinzu.