Identität
Da ich in letzter Zeit immer öfter auf meine Identität angesprochen werde und ich es leid bin, weiter Fragen dazu zu beantworten und ich außerdem der Meinung bin, dass ich mittlerweile ein - für ein Rucola-Blättchen – doch angesehenes Alter erreicht habe, habe ich beschlossen, hier nun endlich meine Geschichte zu erzählen.
Nun, ich wurde eigentlich als ein normales Menschenkind geboren. Darüber, ob ich jemals ganz normal war, kann man streiten, aber menschlich, zumindest im Sinne von humanoid war ich eindeutig. Und so lebte ich dahin, mehr oder weniger glücklich, mehr oder weniger normal, bis ich eines Tages einen entscheidenden Fehler begann. Ich log nämlich!
Natürlich nur aus ehrenwerten Motiven - und was ist ehrenwerter für ein junges Menschmädchen als das Herz eines etwas älteren Menschenjungen erobern zu wollen? Eigentlich war das Motiv nicht ganz so ehrenhaft - ich wollte mich selbst nicht bloßstellen - aber die Absicht dahinter war dieselbe.
Da war also dieser Menschenjunge, dessen Herz ich erobern wollte. Und da war auch ein schöner Sommertag. Und die alte Donau, in der wir schwammen. Von einem Ufer zum anderen und wieder zurück. Und um die Schwimmerei ihrer Fadesse zu berauben, spielten wir das Frage-Antwort-Spiel. Er stellte eine Frage, ich beantwortete sie, oder umgekehrt, oder auch vollkommen durcheinander. Ich könnte es auch einfach "Kommunikation" nennen, aber das würde nicht so spannend klingen. Also schwammen wir so dahin und "kommunizierten" (na gut, ich nenn es eben doch so), vielleicht flirteten wir dabei auch ein bisschen. Tatsächlich flirteten wir dabei sogar gewaltig, was aber eigentlich nebensächlich ist.
Alles ging gut, die Fragen waren nicht allzu schwierig zu beantworten und mir fiel auch immer eine Gegenantwort ein, bis, bis er die Frage stellte, die mein Leben für immer verändern sollte (was ich zu diesem Zeitpunkt freilich weder wusste noch ahnen konnte): "Magst du eigentlich Rucola?", fragte er. Ich weiß nicht mehr, warum er es fragte, ich weiß auch ehrlich gesagt keine einzige der anderen Fragen mehr, weder die, die ich gestellt hatte noch die, die ich beantwortet hatte.
"Äh, Rucola? Ähm, nein, mag ich nicht." antwortete ich, besser gesagt log ich, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte noch nie Rucola in irgendeiner Form meine Lippen und in weiterer Folge natürlich auch meine Geschmacksnerven berührt. Ich wusste nicht einmal, was das war! Und da mir das furchtbar peinlich war (eigentlich hätte es nicht mir peinlich sein sollen, sondern meinen Eltern, die mich zwar immer mit Schweinsbraten, Krautfleisch und Faschiertem vollgestopft, aber mir dieses grüne Wunder vorenthalten hatten) ließ ich mich zu dieser - kleinen, wie ich dachte - Notlüge hinreißen. Das Frage-Antwort-Spiel ging dann weiter und ich verschwendete keinen Gedanken mehr an Rucola, der bei mir einzig die Assoziation mit Ricola (diese Schweizer Kräuterzuckerl) geweckt hatte.
Doch am nächten Morgen, als ich mich zähneputzend im Spiegel betrachtete, ach Schreck, was sah ich da?! Aus meiner Nase und auch meinen Ohren, wie ich allerdings erst später bemerkte, waren über Nacht ganz kleine, zarte, beinahe nicht zu sehende Rucolablätter gewachsen.
Warum ich erkannte, dass es sich dabei um Rucola handelte, obwohl ich vorher noch nie Rucola gesehen hatte fragt ihr sicher und diese Frage hat durchaus ihre Berechtigung. Nun, sagen wir einfach, ich hatte so eine Ahnung.
Bereits abends hatte ich einen leicht grünlichen Schimmer in meiner Nase bemerkt, diesen aber auf das Donauwasser geschoben und seine Ursache nicht weiter verfolgt.
Ich konnte die grünen Blätter ohne jeglichen Schmerz durch Auszupfen entfernen und prüfte den ganzen Tag hinweg stündlich mein Spiegelbild, das vollkommen normal erschien. Doch am nächsten Morgen waren sie wieder da. Und am Morgen danach. Und am Morgen nach diesem Morgen ebenfalls. Als ich bemerkte, dass die Geschwindigkeit des Wachstums zunahm (nach Ablauf eines Monats hatte sich die Größe der mir in der Früh entgegenrankenden Blätter verdoppelt), wagte ich mich dann doch zum Arzt. Der war zwar äußerst verwundert - stellte sich doch nach eingehender Untersuchung heraus, dass sich in meiner Lunge und in meinem Kopf jeweils eine wunderschöne Rucolastaude gebildet hatte (das Röngtenbild solltet ihr einmal sehen!), konnte mir allerdings nicht weiterhelfen. Mit den Worten: "Da kann man nix machen - außer Zupfen." fertigte er mich mit einem schelmischen Grinsen ab und überließ mich so meiner Verzweiflung.
Tja, was soll ich weiter erzählen? Seitdem rupfe ich täglich morgens (denn zum Glück beschränkt sich das Wachstum des Salates – noch! - wer aber weiß, wie lange? - auf die Nacht) Rucola aus meinen Ohren und meiner Nase, manchmal verirren sich auch Triebe zwischen meine Finger oder meine Zehen, einmal habe ich eine in meiner linken Kniekehle gefunden und einmal, als ich verkühlt war und am Rücken mit offenem Mund geschlafen habe, wunderte ich mich nach dem Aufwachen über ein Blättchen unter meiner Zunge. Von Jahr zu Jahr wird es mühsamer, (ihr erinnert euch an das oben erwähnte rasante Wachstum?), jährlich brauche ich in der Früh länger, v.a. da es von mal zu mal schwieriger wird, beinahe blind ins Badezimmer zu finden.
Besiegen kann ich den Fluch angeblich nur, indem ich überall verkünde, wie gut Rucola schmeckt und wie sehr ich ihn liebe, was ich hiermit auch öffentlich bekennen möchte: Ich LIEBE Rucola. Und nein, ich lüge dabei nicht!
Euer gstauchtes, geknicktes Stauderl
P.S. Ich hoffe, dass damit für meine Freunde auch einige meiner Verhaltensweisen klarer geworden sind:
z.B. *warum ich nicht gerne Leute bei mir schlafen lasse und selbst immer – egal zu welcher Uhrzeit – nachhause fahre (außer wenn ich zum Schlafen ein eigenes Zimmer bekomme) -> ihr habt immer gedacht, ich wäre einfach verwöhnt, gebt es zu!
* warum ich auch nicht gern mein Zelt mit anderen Leuten teile
* meine panische Angst vor Schnecken
* warum mich Sprüche wie: „du schaust so grün aus.“, oder „du hast da was grünes zwischen den Zähnen.“ sofort auf die Toilette flüchten lassen.
* warum es bei mir so oft Rucola zu essen gibt (Eigenanbau!)
(Warum ich mich gerade jetzt beim Petersielie-Zupfen auf meine wahre Identität besinnt habe, das bitte ich euch, mir zu erklären)
Nun, ich wurde eigentlich als ein normales Menschenkind geboren. Darüber, ob ich jemals ganz normal war, kann man streiten, aber menschlich, zumindest im Sinne von humanoid war ich eindeutig. Und so lebte ich dahin, mehr oder weniger glücklich, mehr oder weniger normal, bis ich eines Tages einen entscheidenden Fehler begann. Ich log nämlich!
Natürlich nur aus ehrenwerten Motiven - und was ist ehrenwerter für ein junges Menschmädchen als das Herz eines etwas älteren Menschenjungen erobern zu wollen? Eigentlich war das Motiv nicht ganz so ehrenhaft - ich wollte mich selbst nicht bloßstellen - aber die Absicht dahinter war dieselbe.
Da war also dieser Menschenjunge, dessen Herz ich erobern wollte. Und da war auch ein schöner Sommertag. Und die alte Donau, in der wir schwammen. Von einem Ufer zum anderen und wieder zurück. Und um die Schwimmerei ihrer Fadesse zu berauben, spielten wir das Frage-Antwort-Spiel. Er stellte eine Frage, ich beantwortete sie, oder umgekehrt, oder auch vollkommen durcheinander. Ich könnte es auch einfach "Kommunikation" nennen, aber das würde nicht so spannend klingen. Also schwammen wir so dahin und "kommunizierten" (na gut, ich nenn es eben doch so), vielleicht flirteten wir dabei auch ein bisschen. Tatsächlich flirteten wir dabei sogar gewaltig, was aber eigentlich nebensächlich ist.
Alles ging gut, die Fragen waren nicht allzu schwierig zu beantworten und mir fiel auch immer eine Gegenantwort ein, bis, bis er die Frage stellte, die mein Leben für immer verändern sollte (was ich zu diesem Zeitpunkt freilich weder wusste noch ahnen konnte): "Magst du eigentlich Rucola?", fragte er. Ich weiß nicht mehr, warum er es fragte, ich weiß auch ehrlich gesagt keine einzige der anderen Fragen mehr, weder die, die ich gestellt hatte noch die, die ich beantwortet hatte.
"Äh, Rucola? Ähm, nein, mag ich nicht." antwortete ich, besser gesagt log ich, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte noch nie Rucola in irgendeiner Form meine Lippen und in weiterer Folge natürlich auch meine Geschmacksnerven berührt. Ich wusste nicht einmal, was das war! Und da mir das furchtbar peinlich war (eigentlich hätte es nicht mir peinlich sein sollen, sondern meinen Eltern, die mich zwar immer mit Schweinsbraten, Krautfleisch und Faschiertem vollgestopft, aber mir dieses grüne Wunder vorenthalten hatten) ließ ich mich zu dieser - kleinen, wie ich dachte - Notlüge hinreißen. Das Frage-Antwort-Spiel ging dann weiter und ich verschwendete keinen Gedanken mehr an Rucola, der bei mir einzig die Assoziation mit Ricola (diese Schweizer Kräuterzuckerl) geweckt hatte.
Doch am nächten Morgen, als ich mich zähneputzend im Spiegel betrachtete, ach Schreck, was sah ich da?! Aus meiner Nase und auch meinen Ohren, wie ich allerdings erst später bemerkte, waren über Nacht ganz kleine, zarte, beinahe nicht zu sehende Rucolablätter gewachsen.
Warum ich erkannte, dass es sich dabei um Rucola handelte, obwohl ich vorher noch nie Rucola gesehen hatte fragt ihr sicher und diese Frage hat durchaus ihre Berechtigung. Nun, sagen wir einfach, ich hatte so eine Ahnung.
Bereits abends hatte ich einen leicht grünlichen Schimmer in meiner Nase bemerkt, diesen aber auf das Donauwasser geschoben und seine Ursache nicht weiter verfolgt.
Ich konnte die grünen Blätter ohne jeglichen Schmerz durch Auszupfen entfernen und prüfte den ganzen Tag hinweg stündlich mein Spiegelbild, das vollkommen normal erschien. Doch am nächsten Morgen waren sie wieder da. Und am Morgen danach. Und am Morgen nach diesem Morgen ebenfalls. Als ich bemerkte, dass die Geschwindigkeit des Wachstums zunahm (nach Ablauf eines Monats hatte sich die Größe der mir in der Früh entgegenrankenden Blätter verdoppelt), wagte ich mich dann doch zum Arzt. Der war zwar äußerst verwundert - stellte sich doch nach eingehender Untersuchung heraus, dass sich in meiner Lunge und in meinem Kopf jeweils eine wunderschöne Rucolastaude gebildet hatte (das Röngtenbild solltet ihr einmal sehen!), konnte mir allerdings nicht weiterhelfen. Mit den Worten: "Da kann man nix machen - außer Zupfen." fertigte er mich mit einem schelmischen Grinsen ab und überließ mich so meiner Verzweiflung.
Tja, was soll ich weiter erzählen? Seitdem rupfe ich täglich morgens (denn zum Glück beschränkt sich das Wachstum des Salates – noch! - wer aber weiß, wie lange? - auf die Nacht) Rucola aus meinen Ohren und meiner Nase, manchmal verirren sich auch Triebe zwischen meine Finger oder meine Zehen, einmal habe ich eine in meiner linken Kniekehle gefunden und einmal, als ich verkühlt war und am Rücken mit offenem Mund geschlafen habe, wunderte ich mich nach dem Aufwachen über ein Blättchen unter meiner Zunge. Von Jahr zu Jahr wird es mühsamer, (ihr erinnert euch an das oben erwähnte rasante Wachstum?), jährlich brauche ich in der Früh länger, v.a. da es von mal zu mal schwieriger wird, beinahe blind ins Badezimmer zu finden.
Besiegen kann ich den Fluch angeblich nur, indem ich überall verkünde, wie gut Rucola schmeckt und wie sehr ich ihn liebe, was ich hiermit auch öffentlich bekennen möchte: Ich LIEBE Rucola. Und nein, ich lüge dabei nicht!
Euer gstauchtes, geknicktes Stauderl
P.S. Ich hoffe, dass damit für meine Freunde auch einige meiner Verhaltensweisen klarer geworden sind:
z.B. *warum ich nicht gerne Leute bei mir schlafen lasse und selbst immer – egal zu welcher Uhrzeit – nachhause fahre (außer wenn ich zum Schlafen ein eigenes Zimmer bekomme) -> ihr habt immer gedacht, ich wäre einfach verwöhnt, gebt es zu!
* warum ich auch nicht gern mein Zelt mit anderen Leuten teile
* meine panische Angst vor Schnecken
* warum mich Sprüche wie: „du schaust so grün aus.“, oder „du hast da was grünes zwischen den Zähnen.“ sofort auf die Toilette flüchten lassen.
* warum es bei mir so oft Rucola zu essen gibt (Eigenanbau!)
(Warum ich mich gerade jetzt beim Petersielie-Zupfen auf meine wahre Identität besinnt habe, das bitte ich euch, mir zu erklären)
Rucola - 8. Nov, 21:54