Me, him and Johnny Walker
"Wie saublöd muss man sein", frage ich mein vor mir stehendes Bier zum wiederholten Male. "Wie verdammt sau, saublöd ?" Ich schüttle den Kopf, strecke die Hand nach dem Glas aus und trinke einen großen Schluck. Danach stoße ich einen lauten, wohlklingenden Rülpser aus, was die Blicke der Hälfte der in der Bar Anwesenden auf mich zieht. Ich zucke kurz mit den Schultern und werfe dem Kellner einen entschuldigenden Blick zu, auf den er mit einem breiten Grinser anwortet.
"Soviel Naivetät, soviel Blödheit in einem einzigen Menschen, das kanns doch gar nicht geben!", führe ich meinen stummen an mein Bier gerichteten Monolog fort. "Wie zum Henker, zum Teufel und was weiß ich, zu wem noch, konnte ich bloß annehmen...konnte ich nur so blöd sein, anzunehmen...grrrrt!!! Ich könnte mir vor Wut jedes Kopfhaar einzeln ausreißen, danach meine Finger- und wenns noch nicht zu spät ist auch noch die Zehennägel." Ich schüttle wieder den Kopf. Diesmal noch heftiger als vorher.
"Verfluchte, verfickte Scheiße!!!", denke ich und merke im selben Moment, dass ich diese Worte wohl laut gedacht haben muss, weil sich schon wieder massenhaft Blicke auf mich richten. "Hach, noch nie eine Frau fluchen gehört? Auch wir haben schlechte Tage! Schaut nicht so blöd, sondern gebt mir lieber eine Zigarette, die kann ich dringend gebrauchen!" Jetzt grinsen einige, einige andere drehen sich weg und tun, alsob sie nichts gehört hätten. Ein Mädchen beugt sich zu ihrem Freund und flüstert ihm "Besoffene Schlampe" ins Ohr, das sehe ich genau, obwohl sie sich dabei die Hand vor den Mund hält und eigentlich alles vor meinen Augen schon ziemlich verschwommen ist. Dankenswerterweise ist wirklich jemand so hilfsbereit, mir eine Zigarette anzubieten und sogar so großzügig sie mir auch noch anzuzünden. Ich bedanke mich mit einem höflichen Lächeln. Denn trotz der Wut im Bauch habe ich meine gute Erziehung nicht vergessen, tue aber so alsob, als der Kerl nach seiner guten Tat neben mir stehen bleibt, mich fragend ansieht und auf irgendwas zu warten scheint. "Gibts noch was?" frage ich herausfordernd und mit einer Arroganz, die mich selbst überrascht. Das hat den beabsichtigten Effekt. "Bitch!", zischt er leise, bevor er sich - endlich - wegdreht.
Wieder sehe ich, wie das Mädchen sich zu ihrem Freund lehnt und ihm, mich dabei mit einem verächtlichen Blick musternd, etwas ins Ohr sagt. "Die kleine Schlampe da hinten scheint irgendein Problem mit mir zu haben", kläre ich mein Bierglas über den Vorgang auf, bevor ich es mit einem weiteren großen Schluck leere. Diesmal verkneife ich mir den danach aufkeimenden Rülpser allerdings.
"Erzähl mir was von dir", hatte er gesagt. "Was Schlimmes, Abartiges, das mich entsetzt. Oder bist du etwa so brav, wie du aussiehst?" Später hatte er mich geküsst und dann...
Ich schüttle wieder den Kopf, und hoffe so, die Gedanken an sein süßes Lächeln und seine schönen Augen loszuwerden und werde nur davon abgehalten, meinem Bierglas weitere Flüche beizubringen, weil der Kellner in mein Blickfeld tritt und es abräumt. "Noch ein Bier?", fragt er und ich frage mich, ob er immer so dämlich grinst oder mich damit für etwas bestrafen will. Ehe ich sowohl meine als auch seine Frage beantworten kann, setzt er hinzu: "Du schaust aus, als könntest du was Stärkeres gebrauchen. Ich hab da was für dich." Ohne meine Reaktion abzuwarten, dreht er sich auch schon um und lässt von einer der über der Bar hängenden Flaschen Flüssigkeit in ein Stamperl laufen. Dann in ein zweites. Das eine stellt er vor mich hin, das andere behält er bei sich, schaut mir - wieder mit diesem Grinser - in die Augen und prostet mir zu. Ich setze das Glas an und schütte das darin befindliche Gesöff mit einem Mal in meinen Rachen, danach bemühe ich mich, cool zu wirken und mir nicht anmerken zu lassen, dass ich das höllische Brennen in meinem Hals nicht einfach ignorieren kann. Doch gegen meine plötzlich stark tränenden Augen weiß ich mir nicht zu helfen. Um dennoch die Fassung zu bewahren, presse ich ein "Noch zwei bitte, ich lad dich ein - als Revanche!", heraus und hoffe, dass der Moment, an dem der Kellner mir den Rücken zudrehen und ich endlich nach Luft ringen kann, schnell kommt. Kaum steht das weitere Stamperl vor mir, ziehe ich meine Mundwinkel zu einem erfreuten Lächeln hoch und trinke so schnell wie möglich, um gar nicht erst auf die Idee zu kommen, es mir doch anders zu überlegen. Als sich der Kellner dann voller Begeisterung darüber, eine Saufkumpanin gefunden zu haben, daran machen will, mir noch eines zu spendieren, probiere ich diesem mit einem schnippischen und äußert unfreundlichen "Hast du nix anderes zu tun, als deine Gäste zu belästigen. Hast du keine Freunde, die mir dir saufen, Burschi?" entgegenzuwirken, worauf er mir zuerst einen überraschten Blick zuwirft und dann in schallendes Gelächter ausbricht, in das ich leider einstimmen muss. Also trinke ich noch eines mit ihm. Und dann noch eines. Irgendwann zwischen den dritten zwei und den vierten zwei Stamperln finde ich seinen Grinser gar nicht mehr dämlich, und irgendwann noch später spüre ich meine Wut verrauchen, denke nicht mehr an die anderen braunen Augen, sondern schaue in diese.
Irgendwann an diesem Abend stehe ich gemeinsam mit dem Kellner hinter der Bar und helfe ihm bei der Arbeit. Er schenkt für die Gäste aus, ich für uns.
Noch später in dieser Nacht stehe ich mit ihm auf der Bar und tanze. Und irgendwann werfen wir alle Gäste hinaus und widmen uns voll und ganz unseren Saufgelüsten. Bis wir bei beginnender Morgendämmerung vom vielen Nachschenken erschöpft unter der Bar einschlafen. Mein Kopf auf seiner Brust, seiner auf Johnny Walker.
"Soviel Naivetät, soviel Blödheit in einem einzigen Menschen, das kanns doch gar nicht geben!", führe ich meinen stummen an mein Bier gerichteten Monolog fort. "Wie zum Henker, zum Teufel und was weiß ich, zu wem noch, konnte ich bloß annehmen...konnte ich nur so blöd sein, anzunehmen...grrrrt!!! Ich könnte mir vor Wut jedes Kopfhaar einzeln ausreißen, danach meine Finger- und wenns noch nicht zu spät ist auch noch die Zehennägel." Ich schüttle wieder den Kopf. Diesmal noch heftiger als vorher.
"Verfluchte, verfickte Scheiße!!!", denke ich und merke im selben Moment, dass ich diese Worte wohl laut gedacht haben muss, weil sich schon wieder massenhaft Blicke auf mich richten. "Hach, noch nie eine Frau fluchen gehört? Auch wir haben schlechte Tage! Schaut nicht so blöd, sondern gebt mir lieber eine Zigarette, die kann ich dringend gebrauchen!" Jetzt grinsen einige, einige andere drehen sich weg und tun, alsob sie nichts gehört hätten. Ein Mädchen beugt sich zu ihrem Freund und flüstert ihm "Besoffene Schlampe" ins Ohr, das sehe ich genau, obwohl sie sich dabei die Hand vor den Mund hält und eigentlich alles vor meinen Augen schon ziemlich verschwommen ist. Dankenswerterweise ist wirklich jemand so hilfsbereit, mir eine Zigarette anzubieten und sogar so großzügig sie mir auch noch anzuzünden. Ich bedanke mich mit einem höflichen Lächeln. Denn trotz der Wut im Bauch habe ich meine gute Erziehung nicht vergessen, tue aber so alsob, als der Kerl nach seiner guten Tat neben mir stehen bleibt, mich fragend ansieht und auf irgendwas zu warten scheint. "Gibts noch was?" frage ich herausfordernd und mit einer Arroganz, die mich selbst überrascht. Das hat den beabsichtigten Effekt. "Bitch!", zischt er leise, bevor er sich - endlich - wegdreht.
Wieder sehe ich, wie das Mädchen sich zu ihrem Freund lehnt und ihm, mich dabei mit einem verächtlichen Blick musternd, etwas ins Ohr sagt. "Die kleine Schlampe da hinten scheint irgendein Problem mit mir zu haben", kläre ich mein Bierglas über den Vorgang auf, bevor ich es mit einem weiteren großen Schluck leere. Diesmal verkneife ich mir den danach aufkeimenden Rülpser allerdings.
"Erzähl mir was von dir", hatte er gesagt. "Was Schlimmes, Abartiges, das mich entsetzt. Oder bist du etwa so brav, wie du aussiehst?" Später hatte er mich geküsst und dann...
Ich schüttle wieder den Kopf, und hoffe so, die Gedanken an sein süßes Lächeln und seine schönen Augen loszuwerden und werde nur davon abgehalten, meinem Bierglas weitere Flüche beizubringen, weil der Kellner in mein Blickfeld tritt und es abräumt. "Noch ein Bier?", fragt er und ich frage mich, ob er immer so dämlich grinst oder mich damit für etwas bestrafen will. Ehe ich sowohl meine als auch seine Frage beantworten kann, setzt er hinzu: "Du schaust aus, als könntest du was Stärkeres gebrauchen. Ich hab da was für dich." Ohne meine Reaktion abzuwarten, dreht er sich auch schon um und lässt von einer der über der Bar hängenden Flaschen Flüssigkeit in ein Stamperl laufen. Dann in ein zweites. Das eine stellt er vor mich hin, das andere behält er bei sich, schaut mir - wieder mit diesem Grinser - in die Augen und prostet mir zu. Ich setze das Glas an und schütte das darin befindliche Gesöff mit einem Mal in meinen Rachen, danach bemühe ich mich, cool zu wirken und mir nicht anmerken zu lassen, dass ich das höllische Brennen in meinem Hals nicht einfach ignorieren kann. Doch gegen meine plötzlich stark tränenden Augen weiß ich mir nicht zu helfen. Um dennoch die Fassung zu bewahren, presse ich ein "Noch zwei bitte, ich lad dich ein - als Revanche!", heraus und hoffe, dass der Moment, an dem der Kellner mir den Rücken zudrehen und ich endlich nach Luft ringen kann, schnell kommt. Kaum steht das weitere Stamperl vor mir, ziehe ich meine Mundwinkel zu einem erfreuten Lächeln hoch und trinke so schnell wie möglich, um gar nicht erst auf die Idee zu kommen, es mir doch anders zu überlegen. Als sich der Kellner dann voller Begeisterung darüber, eine Saufkumpanin gefunden zu haben, daran machen will, mir noch eines zu spendieren, probiere ich diesem mit einem schnippischen und äußert unfreundlichen "Hast du nix anderes zu tun, als deine Gäste zu belästigen. Hast du keine Freunde, die mir dir saufen, Burschi?" entgegenzuwirken, worauf er mir zuerst einen überraschten Blick zuwirft und dann in schallendes Gelächter ausbricht, in das ich leider einstimmen muss. Also trinke ich noch eines mit ihm. Und dann noch eines. Irgendwann zwischen den dritten zwei und den vierten zwei Stamperln finde ich seinen Grinser gar nicht mehr dämlich, und irgendwann noch später spüre ich meine Wut verrauchen, denke nicht mehr an die anderen braunen Augen, sondern schaue in diese.
Irgendwann an diesem Abend stehe ich gemeinsam mit dem Kellner hinter der Bar und helfe ihm bei der Arbeit. Er schenkt für die Gäste aus, ich für uns.
Noch später in dieser Nacht stehe ich mit ihm auf der Bar und tanze. Und irgendwann werfen wir alle Gäste hinaus und widmen uns voll und ganz unseren Saufgelüsten. Bis wir bei beginnender Morgendämmerung vom vielen Nachschenken erschöpft unter der Bar einschlafen. Mein Kopf auf seiner Brust, seiner auf Johnny Walker.
Rucola - 28. Okt, 01:05